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Produktionsleitung: Was ist das eigentlich?

Mo, 08.09.2025
Von Südpol Kommunikation

Im Gespräch mit Annick Bosson, Produktionsleitung Darstellende Künste und Jan Rucki, Produktionsleitung Musik.

 

 

Viele können sich nichts unter der Berufsbezeichnung «Produktionsleitung» vorstellen. Wie würdet ihr eure Arbeit als Produktionsleiter*innen beschreiben?

 

 

A: Produktionsleitung beim Team der Darstellenden Künste hier im Haus – die Stelle gab’s ja vorher eigentlich gar nicht. Sie ist in der neuen Struktur des DK-Teams gewachsen und meine Aufgaben haben sich nach und nach ergeben. Es geht als Produktionsleitung unter anderem darum, die Artists zu hosten. Sobald sie bestätigt sind, trete ich mit ihnen in Kontakt und kläre Fragen.Wenn sie dann am Haus sind, bin ich Ansprechperson für alles. Dazu kommt die ganze Organisation, damit die Produktion überhaupt stattfinden kann. Die Produktionsleitung ist die Schnittstelle zu allen – alle müssen über die wichtigen Infos Bescheid wissen (Gastro, Technik usw.).

 

 

J: Bei uns im Bereich Musik ist es ähnlich. Vor allem dieses «Gastgeber*in sein» für Gäst*innen und Artists. Produktionsleitungen für Musik gibt’s eigentlich in jedem Haus in dem Konzerte stattfinden. Und wie Annick sagt: Wir sind die Schnittstelle zwischen allen. Wir sind verantwortlich für einen reibungslosen Ablauf. Leute, die bei einer Veranstaltung zusammenkommen (internes Personal wie Gastro, Technik und externe wie Veranstaltungspartner*innen und Artists usw.), kennen sich oft nicht – und genau da liegt der Knackpunkt. Alle müssen zusammenarbeiten, damit es funktioniert. Jede Person muss das Richtige zum richtigen Zeitpunkt tun, damit ein Schuh draus wird. Das gilt besonders während der Veranstaltung selbst. Eine gute Vorproduktion entspannt daher die Arbeit während einer Veranstaltung enorm.

 

 

Also der Unterschied zwischen Musik und Darstellenden Künsten ist…?

 

 

A: Bei den Darstellenden Künsten ist es so, dass die Gäst*innen eine klarere Rolle haben und sich während der Veranstaltung passiv verhalten, anders als bei einer Clubnacht beispielsweise. Die Artists haben bei uns eigentlich das meiste zu tun und sind sehr selbstorganisiert. Wir müssen einfach gut Bescheid wissen, wie sie sich alles vorstellen – zum Beispiel beim Einlass. Aber für die Gäst*innen und Artists ist es super, dass sie bei uns immer dasselbe Gesicht sehen – man kennt uns – und sie wissen, an wen sie sich bei einer Frage oder einem Anliegen wenden können. Mit der Technik und Gastro ist bei uns oft weniger los, da manche Gruppen ihre eigenen Techniker*innen mitbringen und der Gastrobetrieb nur vor und nach der Veranstaltung geöffnet ist, anders als bei Partys oder Konzerten. Insgesamt sind wir «kleiner», würd ich sagen. Aber ich bin da, um alle zu informieren und nichts Wichtiges zu vergessen. (Auch so Kleinigkeiten wie: «Hey, wir haben da einen Apéro» oder «Da dürft ihr nicht rein»). Und dann haben wir bei den Darstellenden Künsten einen kleinen Vorteil im Vergleich zur Musik: Unsere Veranstaltungen wiederholen sich öfters, Eine Gruppe macht z.B. 3-5 Vorstellungen, und da kommt dann immer die gleiche Vorproduktion zum Einsatz. Das gibt ein bisschen Routine ins Ganze.

 

 

J: Voll, das sehe ich auch so. Manchmal ist es bei uns sehr ähnlich – und manchmal braucht es noch viel mehr. Das hängt völlig von der Grösse der Veranstaltung ab. Wir haben im Haus unterschiedlichste Produktionen, die von einer kleinen Clubshow bis hin zu einem Festival in der Grossen Halle reichen, bei dem sieben Bands an einem Tag spielen und viele davon aus anderen Ländern anreisen. Da sind mit internen und externen Mitarbeitenden und den Künstler*innen schnell einmal um die achtzig Personen am Tun. Da muss man den Überblick behalten – und hier hilft es unglaublich, wenn man ein so professionelles Team hat, wie wir es haben.

 

 

Was gefällt euch am meisten und was am wenigsten an dieser Arbeit?

 

 

A: Der direkte Kontakt mit den Artists. Das Kennenlernen, Haus zeigen, Wohnung zeigen – das ist mega schön. Vor allem, wenn man dann die Reaktionen mitbekommt, wie begeistert die Leute von unserem Haus sind: die Wohnung ist direkt beim Probeort, aussen gibt’s ne tolle Umgebung, super Infrastruktur mit Mittagsbistro, Frühling bis Herbst die Buvette.
Negativ ist der Mental Load, weil man ständig für alles Mögliche mitdenken muss – auch spartenübergreifend. Es gibt viele Kleinigkeiten, an die man denken muss. Und manchmal gibt’s Peaks, wo sich alles bündelt. Ich hatte auch schon Momente, wo ich im Bett lag, alles nochmals im Kopf durchgegangen bin und Sachen dachte wie: «Ups, hat die Gruppe den Schlüssel? Hängt die Signaletik?» und so weiter. Aber das ist ein Routine-Ding. Nach gut vier Jahren hat sich das inzwischen recht entspannt und läuft besser. Trotzdem ist jede Saison-Eröffnung aufs Neue herausfordernd.

 

 

J: Ich arbeite super gern mit allen zusammen – Personal, Artists, Gäst*innen. Es ist toll, dass das Team so beständig ist und alles immer professioneller abläuft. Und es ist jedes Mal schön, wenn mit einem Team von internen und externen Menschen etwas Grosses auf die Beine gestellt wird. Man kommt jedes Mal – natürlich auch je nach Grösse der Veranstaltung – wie in einen Film und denkt gar nicht dran, wie viele Stunden man bereits auf den Beinen steht. Der Gedanke, wie viele Veranstaltung wir in unserem winzigen Produktionsteam meistern, kann einem schon auch mal ein bisschen das Fürchten lernen. Eine gewisse Anspannung, die zwischendurch mal aufkommt, verleiht mir aber auch einen grossen Kick, der mir die nötige Energie für die Arbeit verleiht.

 

 

Etwas schade finde ich manchmal, dass bei Musikveranstaltungen alles sehr kurzlebig ist. Einmal blinzeln – die Gagen sind überwiesen und zack, es ist vorbei. Eine neue Entwicklung von wirtschaftsorientierter Art in Teilen der Szene gefällt mir auch nicht besonders. Ein Teil ist nun mal dem Tenor der Zeit geschuldet, doch wenn man etwas beobachtet, wie kapitalismuskonform gewisse Player in der Musikindustrie agieren, geht das einem schon etwas auf die Nerven. Was daraus resultiert, ist die Motivation, in der Art des eigenen Arbeitens in gesundem Rahmen einen Kontrapunkt dagegen zu setzen.

 

 

Habt ihr schon mal was Grundlegendes vergessen, was danach zu Chaos führte? Das Publikum merkt meistens nicht, ob die Hütte brennt oder nicht. Was wäre das schlimmste unsichtbare Desaster?

 

 

A: Kurz vor Türöffnung gibt’s manchmal Momente, wo die Technik aussteigt oder die Artists noch nicht ready sind. Dann versuche ich einfach, das Publikum etwas hinzuhalten. Aber einmal hatten wir richtig Stress: Unsere Artists waren völlig fertig mit den Nerven von den Musik-Artists, die nach ihrem Auftritt im Club weiter Party in der Wohnung machten und eine saumässige Unordnung hinterliessen. Unsere Artists konnten die ganze Nacht nicht schlafen, hatten aber am nächsten Tag Show. … Aber ja, das ist manchmal so – diese Crashes zwischen den Sparten, vor allem in der Wohnung. Die Bedürfnisse sind einfach sehr unterschiedlich. Da war ich richtig sauer (lacht). Aber hey, es gibt ansonsten echt selten Probleme.

 

 

J: Genau, wir hatten sicher schon einige unangenehme Situationen, aber so eine richtige Panne kommt mir gerade so nicht in den Sinn. Es kann vorkommen, dass bestelltes oder ausversehen nicht bestelltes Personal nicht wie (vermeintlich) geplant auftaucht oder dass Bands unterwegs Pannen haben und dadurch Zeitpläne nicht aufgehen. Dann gilt es Lösungen zu suchen. Schrecklich sind auf jeden Fall technische Ausfälle, so hat es uns beispielsweise bereits einmal während eines Soundchecks Teile unserer Musikanlage verbraten. Wir haben aber die richtigen Leute am Haus – das merkte ich, als das Konzert dann doch zu geplantem Zeitpunkt über die Bühne ging und das Publikum von all dem nichts mitbekommen hat und begeistert war.
Ansonsten menschelt es halt immer bei Veranstaltungen. Erwartungen, die nicht in Erfüllung gehen – aber mit einem Gespräch und etwas Humor hat bisher so gut wie alles geklappt.

 

 

Ihr habt mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun – welches Erlebnis mit Gruppen oder Künstler*innen ist eine Story to tell?

 

 

A & J: Wenn sich jemand – egal wer – bei uns bedankt, das ist immer schön. Da merken wir einfach, dass wir die Leute wirklich gut betreuen, und das macht Freude. Oder wenn Artists nach ihrer Show noch bleiben und am liebsten gar nicht mehr gehen möchten. Die Agenturen von bspw. Musik-Artists kriegen das ja dann auch mit – und das ist wiederrum auch schöne Werbung für uns. Auch schön sind Erlebnisse, wenn sich unsere beiden Sparten im Verlaufe eines Abends vermischen und an den gegenseitigen Veranstaltungen teilnehmen. Theatermenschen an einer Party, oder Musiker*innen mit Theaterpersonen in der Artist-Wohnung. Das führt zwar manchmal zu Konflikten, aber noch häufiger zu Momenten, die man niemals missen möchte.
Wir kriegen viel Rückmeldung, dass wir im Umgang mit Leuten vieles richtig machen – auch in Bezug auf Kulturdenken. Klar, Verbesserungspotenzial gibt’s immer. Aber die Leute wollen wiederkommen. Und wenn das Publikum heult, weil es so schön war, oder Artists und Gäst*innen sagen, sie wollen unbedingt wiederkommen – dann ist man einfach richtig zufrieden.

 

 

Für wen oder welche Gruppe/Veranstaltung würdet ihr gerne mal die Produktionsleitung übernehmen?

 

 

A: Ich mach das gerne für alle, solange sie nett sind. Nett und authentisch – mehr braucht’s eigentlich nicht. Ein grosser Name aus den Darstellenden Künsten fällt mir so auf die Schnelle grad nicht ein. Aber was ich weiss ist, ich mag einfach keine Allüren. Aber wenn Dankbarkeit, Wertschätzung und Verständnis da sind, mach ich gern jede Produktionsleitung (wieder).

 

 

J: Für zukünftige Produktionen habe ich keinen konkreten Wunsch. Generell liebe ich Menschen, die authentisch sind und beim Musikmachen richtig ins Sprudeln kommen. Wenn eine Performance obendrauf noch auf sympathische Art brachial ist, dann hat man mich auf jeden Fall. Das schöne ist, dass ich weiss, dass in der angebrochenen Saison so Einiges aus diesem Feld bei uns stattfinden wird. Ein kleiner Traum von mir wird dann im Februar nächsten Jahres in Erfüllung gehen. Stay updated!

 

 

Inwiefern unterscheidet sich euer Job von dem in anderen Kulturhäusern?

 

 

A & J: Bei uns ist stetig immer alles anders, weil wir so viele verschiedene Sachen hier haben. Man muss ständig Rücksicht nehmen, über den Tellerrand schauen, weil wir verschiedene Sparten im Haus haben. Das macht es aber auch so positiv, finde ich. Häufig sind Shows nicht gleich, keine Bühne bleibt gleich, kein Raum bleibt gleich. Man muss viel mit allen Sparten kommunizieren und aufeinander Rücksicht nehmen.