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Zirkus FahrAwaY on Tour
Im Gespräch mit Nina Wey, Solvejg Weyeneth und Valentin Steinemann – Zirkus FahrAwaY
Euch gibt es seit dem Frühling 2010, und auf eurer Website schreibt ihr, dass damals alles «ins Rollen» kam. Wie können wir uns das vorstellen?
Wir haben uns alle im Zirkus Chnopf kennengelernt. Solvejg und Nina waren als Jugendliche dabei, Valentin als Zivildienstleistender Techniker. Der Zirkus Chnopf befand sich damals in einer Umbruchsphase und machte eine kurze Pause. Wir fanden es schade, dass in dieser Zeit niemand in die Dörfer fährt, um dort zu spielen und Zirkus zu machen. So entstand die Idee, ein Sommerprojekt zu starten – ohne den Plan, gleich einen Zirkus zu gründen.
Schon vor Beginn hatten wir zwei Wagen und einen Traktor – also das Wichtigste beisammen. Die erste Tournee organisierten wir selbst, obwohl wir keinerlei Erfahrung hatten. Wir fragten in den Dörfern an, ob wir dort auftreten durften, und merkten schnell, dass das Projekt gut ankam. Viele luden uns ein, wiederzukommen. Nach und nach entstand die Überlegung, ob wir weitermachen wollen. Da es uns grossen Spass machte und das Projekt immer grösser wurde, entschieden wir uns dafür. Danach organisierten wir alle Tourneen selbst.
Während wir das Sommerprojekt und die Tourneen weiterführten, machten wir parallel unsere Ausbildungen. Solvejg absolvierte die Zirkusausbildung, Nina wechselte nach ihrer Gärtnerinnenlehre ebenfalls zur Zirkusausbildung. Valentin, der vor dem Zirkus Chnopf eine Metallbauer-Lehre gemacht hatte und seinen Zivildienst als Techniker absolvierte, stand mit uns zum ersten Mal auf der Bühne und machte später noch eine Physical-Theatre-Ausbildung in Paris. Unsere Ansprüche wuchsen und wir wurden immer professioneller.
Wie ist euer Name «Zirkus FahrAwaY» entstanden – und wovon seid ihr eigentlich «weit weg»?
Im allerersten Jahr, als wir unterwegs waren und noch gar nicht wussten, wie es weitergeht, hatte Donath, unser Musiker, Freunde, die im Berner Oberland ein Festival organisierten. Sie luden uns ein – Gleichzeitig brauchten Sie natürlich für ihr Programm einen Namen und eine Beschreibung über uns und das, was wir machen – und das musste ziemlich schnell stehen.
Dabei entstand die Idee für den Namen «FahrAwaY» – weil wir ja viel unterwegs sind, viel umherfahren und der Festivalort weit weg war. Über die Namenswahl hatten wir uns vorher gar keine Gedanken gemacht. Eigentlich mögen wir den Namen gar nicht mal so sehr: Er ist Englisch, aber ungewöhnlich geschrieben, und schon am Telefon führt das oft zu Verwirrung. Den Zeitpunkt für eine Namensänderung haben wir verpasst – also stehen wir jetzt einfach zu „FahrAwaY“. Und das passt auch irgendwie.
Wir gehen seither regelmässig auf Tournee. Anfangs haben wir jeden Sommer ein komplett neues Stück erarbeitet – meist noch zwischen unseren Ausbildungen, stark abhängig von unseren Ferien. Mit der Zeit wuchsen die Projekte: Stücke wurden über mehrere Jahre gespielt, wir konnten ein Zirkuszelt kaufen und der organisatorische Aufwand stieg. Anfangs beschränkten sich die Tourneen auf den Sommer, später kamen auch Herbst und Winter hinzu, da sich durch das Zelt neue Möglichkeiten eröffneten.
Der grosse Umbruch kam mit dem Abschluss unserer Ausbildungen. Wir fragten uns, ob wir nun voll auf diese Karte setzen und den Zirkus professionell machen wollen – wir entschieden uns dafür. Daraufhin professionalisierte sich alles weiter: Valentin machte die Lastwagenprüfung, wir kauften einen Lastwagen, unser Tourneeradius vergrösserte sich bis nach Polen und das Zelt bot uns mehr Möglichkeiten für Proben und Auftritte.
Hat es von Anfang an geklappt mit vollen Plätzen, Transport und Organisation? Oder war der Start eher schwierig?
Im Nachhinein haben wir festgestellt, dass wir alles ziemlich clever aufgebaut haben – das wurde uns aber erst später bewusst. Wir drei kommen aus Basel, Bern und Zürich, wodurch wir schon einmal drei Städte hatten, in denen wir Menschen kannten, die unsere Vorstellungen besuchten. Auch einige Orte, die wir anfragen wollten, kannten wir bereits. In den Folgejahren kamen automatisch weitere Orte hinzu – durch Freund*innen, Nachfragen und unser Publikum. So entstanden immer wieder Anknüpfungspunkte, und da wir an denselben Orten immer wieder spielten, entwickelte sich nach und nach ein Stammpublikum, das erstaunlich stabil blieb. Im sechsten Jahr zum Beispiel war ein totaler Regensommer – und trotzdem kamen die Leute, wetterfest gekleidet.
Mit zunehmendem Aufwand unserer Stücke begannen wir, die Stücke öfter zu spielen. So konnten wir sie ausprobieren, hatten mehr Freiheiten und luden Veranstaltende ein, die dann oft auch Einladungen zu Festivals mitbrachten. Natürlich gab es auch immer wieder Orte, an denen nicht so viele Leute kamen, aber wenn pro Tournee ein solcher Ort dabei war, konnten wir das gut tragen. An neuen Orten wussten wir vorher nie genau, wie es laufen würde, aber bisher hat alles immer sehr gut funktioniert.
Das Wetter spielt natürlich eine Rolle und kann das Publikum teilweise verkleinern – aber das war nie ein grosses Problem. Ausserdem haben unsere Stücke nur sehr wenig Sprache, sind zugänglich und niedrigschwellig, sodass die Leute einfach kommen können. In Polen und Litauen mussten wir nichts übersetzen, was uns ebenfalls sehr geholfen hat.
Der Elefant im Zirkus hat ausgedient. Was hat euch inspiriert, dieses Tier ins Zentrum eurer neuen Produktion zu stellen? Hat das auch damit zu tun, dass Elefanten im Zirkus oft missbraucht wurden – und leider teilweise noch immer werden?
Ich (Valentin) habe eine Show vom Zirkus Knie gesehen – die erste ihrer Shows ohne Elefanten, was ich total richtig finde. Gleichzeitig verstehe ich die Faszination und Magie dieses Tiers. Bei dieser Show gab es eine Ersatznummer mit Drohnen und ich fand es so schade, dass keine kreativere Lösung gefunden wurde.
Dann kam der Ursprung unseres Stücks «Elefant». Es war reizvoll, mit den Zirkus-Klischees zu spielen – Zirkus = Tiere, Elefanten – und daraus etwas Eigenes zu entwickeln. Also ohne reale Tiere, aber doch mit Elefant. Und der Elefant ist ja auch ein sehr symbolträchtiges Tier, voller Sprichwörter und kultureller Bedeutungen. Im Zirkus trägt er noch mehr Symbolkraft, was genau die Grundlage für unser Stück bildet. Und neben all dem ist der Elefant auch ein absurd-lustiges Tier – eigentlich ein Clown.
Gab es auf eurer diesjährigen Tournee einen besonderen Moment oder eine Begegnung, die euch bis heute nachhallt?
Ein beeindruckender Moment war Winterthur: Dort wollten 600 Menschen unsere Vorstellung sehen, aber wir hatten nur Platz für 400. Die übrigen Besucher*innen wurden kreativ – kletterten auf Bäume, holten Bänke und Leitern. Anfangs hatten wir ein wenig Sorge, dass die grosse Anzahl Menschen den Fokus und die Intimität unseres Stücks stören könnte. Doch wir spielten vor 600 unglaublich konzentrierten Menschen, was sehr schön und beeindruckend war.
Auch Oltingen bleibt uns in Erinnerung: Eine Besucherin erzählte, dass sie unsere Vorstellung mit Menschen sah, die sie als „stur“ einschätzte, und doch sassen alle zusammen, hatten die gleiche Freude und konnten auftauen. Diese Rückmeldung empfanden wir als besonders berührend und verbindend.
Welche Bedeutung hat es für euch, an ungewöhnlichen Orten wie Bauernhöfen oder Dorfplätzen aufzutreten – gerade im Hinblick das Erlebnis des Zirkus?
Kleine Dörfer, Bergdörfer oder Bauernhöfe haben für uns etwas Magisches. Dort bringen wir etwas zusammen, das sonst nicht da ist – Infrastruktur, Spiel und Raum – und man merkt am meisten, dass unser Tun Sinn macht. Städte sind natürlich auch spannend, aber wir brauchen die Balance zwischen urbanen und ländlichen Orten.
Wenn ihr selbst nur ein einziges Wort wählen dürftet, um euer Stück Elefant zu beschreiben – welches wäre das?
Selbergestrickt, vielseitig, persönlich
Zirkus FahrAwaY ist weiterhin mit Elefant auf Tournee.
Weitere Tourdaten findest du hier: