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Tankstelle Bühne 2025: Soon enough
Im Gespräch mit Giusy Fanaro:
Wer bist du, was ist dein künstlerischer Backround?
Mein Name ist Giusy Fanaro und ich bin eine italienische Tänzerin, Lehrerin und aufstrebende Choreografin und lebe in Luzern. Ich wurde an der Scuola del Balletto di Roma ausgebildet, bevor ich meinen Bachelor in zeitgenössischem Tanz an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) absolvierte. Nach meinem Studium war ich für die Spielzeit 2021/2022 Mitglied des Stadttheaters Bremerhaven, bevor ich in die Freie Szene wechselte. Im Laufe meiner Karriere habe ich mit Choreograf*innen wie Nadav Zelner, Luca Signoretti, Winston Arnon, Caroline Finn, Ihsan Rustem, Alba Castillo, Bryan Arias, Sergei Vanaev, Marcel Leeman, Marco Cantalupo und Tabea Martin gearbeitet. Im Jahr 2024 habe ich mein Solo Soon Enough auf dem «IHRE MAJESTÄT» Festival präsentiert und entwickle es nun während meiner Residenz im Südpol im Rahmen der Tankstelle Bühne 2025 weiter.
Wie sieht so ein Tag während deiner Residenz bei uns im Südpol aus?
Eine Residenz bietet Zeit und Raum, um sich ganz auf das kreative Schaffen zu konzentrieren. Meine Tage im Südpol beginnen jeweils mit einem körperlichen Aufwärmen sowie Improvisationen, um meinen Körper aufzuwecken und neue Bewegungsideen zu erforschen. Ich verbringe einen grossen Teil des Tages damit, Bewegungsmaterial zu entwickeln, mich selbst aufzunehmen und das Material am nächsten Tag zu sichten, um zu analysieren, was funktioniert und was verfeinert werden muss. Dieser Prozess ermöglicht es mir, aus der unmittelbaren Erfahrung der Bewegung herauszutreten und sie mit einem kritischeren Auge zu betrachten.
Ich probe und verfeinere mein Solo für die Tankstelle Bühne 2025 und experimentiere mit Bewegungsqualität, Übergängen und räumlicher Dynamik. Die Arbeit in einer Residenz erlaubt es mir, in den kreativen Prozess einzutauchen, ohne den unmittelbaren Druck einer Aufführung, und gibt mir Raum, das Stück weiterzuentwickeln.
Die Geschichte «Siddhartha», geschrieben von Hermann Hesse, war eine massgebliche Inspiration für dein Stück, weshalb?
Was mich an der Geschichte am meisten beeindruckte, war nicht nur die Reise der Figur, sondern auch das Gefühl der Suche – das ständige Ablegen von Schichten, das Verirren, das Finden der Stille und das erneute Beginnen. Ich wollte das Buch nicht wörtlich illustrieren, sondern die Atmosphäre und philosophische Tiefe in meinen Körper und meine Bewegungen einfliessen lassen.
In Siddhartha gibt es eine Spannung zwischen Stille und Verwandlung, die ich sehr faszinierend finde. Das ist etwas, was ich auch in meinem eigenen Leben erlebe – der Wunsch zu verstehen, präsent zu sein, vorwärtszugehen und das unvermeidliche Gefühl der Unsicherheit, das damit einhergeht. Diese emotionalen Zustände bildeten die Grundlage für das Solo.
Soon Enough ist zwar keine direkte Nacherzählung, aber es ist eine physische Antwort auf die Themen des Buches: innere Konflikte, Loslassen, Zuhören und Werden. Es geht mehr um die Reise nach innen als nach aussen.
Wie schaffst du es, die Geschichte deines Stücks so zu erzählen, dass Sie für das Publikum zugänglich wird? Was ist dir dabei wichtig?
Die Themen in Soon Enough drehen sich um Zeit, Identität und menschliche Erfahrungen – Konzepte, die abstrakt und doch sehr persönlich sind. Anstatt eine strukturierte Geschichte zu erzählen, konzentriere ich mich auf die Bewegung, um Emotionen und Empfindungen zu wecken.
Die Körperlichkeit, der Rhythmus und die Dynamik meines Körpers sind es, die das Publikum durch die Arbeit führen. Ich möchte eine Erfahrung schaffen, bei der sich die Zuschauer*innen durch ihre eigenen Interpretationen und Emotionen mit dem Stück verbinden können, anstatt durch ein festgelegtes Narrativ.
Wie bist du den kreativen Prozess für dieser Produktion angegangen? Welche Inspirationen, Methoden oder Erfahrungen haben dir bei der Entwicklung geholfen? Wie würdest du deinen Arbeitsstil beschreiben?
Die Entstehung von Soon Enough war eine sehr persönliche Reise.
Zum ersten Mal beziehe ich Requisiten in meine choreografische Forschung mit ein, was eine zusätzliche Ebene der Komplexität schafft und neue Möglichkeiten eröffnet. Die Interaktion zwischen Objekten und Bewegung schafft einzigartige Einschränkungen und Möglichkeiten und beeinflusst die Art und Weise, wie ich die Beziehung zwischen Körper und Raum gestalte.
Ich lasse mich von allem um mich herum inspirieren – von menschlichen Körpern, Tieren, Pflanzen, Chaos und Ruhe. Jede Bewegung, jedes natürliche Element und jeder Kontrast bieten neue Ideen, die es zu erforschen gilt. Diese äusseren Einflüsse beeinflussen mich in meiner Arbeit.
Die Zusammenarbeit mit meinem Mentor, Igli Mezini, war für die Gestaltung der Dramaturgie des Stücks entscheidend. Seine Einsichten helfen mir, die Struktur zu verfeinern und die emotionalen und konzeptionellen Ebenen zu vertiefen. Um die Atmosphäre weiter zu bereichern, habe ich mich mit dem Komponisten Tanaka Lionel Roki zusammengetan, dessen Musik den Ton des Stücks verstärkt und den Rhythmus und die Energie der Bewegungen lenkt.
Mein Ansatz bei der Choreografie ist fliessend und anpassungsfähig. Ich geniesse zwar die Freiheit der Solo-Kreation, aber ich schätze auch die Perspektiven von Mentor*innen und Kolleg*innen. Ihr Feedback spornt mich an, meine Ideen zu erweitern und über meine eigenen kreativen Grenzen hinauszugehen.
Was erhoffst du dir als Teil der jungen, lokalen Nachwuchsszene für dich selbst und für andere?
Teil der lokalen Nachwuchsszene zu sein, ist eine grossartige Gelegenheit, als Künstlerin zu wachsen und einen Beitrag zu einer kreativen Gemeinschaft zu leisten. Ich hoffe, dass ich weiter lernen und meine künstlerische Stimme entwickeln kann, während ich gleichzeitig Verbindungen zu anderen Künstler*innen aufbaue. Für die Gemeinschaft als Ganzes wünsche ich mir mehr Möglichkeiten zur Zusammenarbeit und interdisziplinäre Projekte, die den Austausch und das Experimentieren fördern.
Wo siehst du Verbesserungsmöglichkeiten bei der Unterstützung lokaler Nachwuchskünstler*innen?
Es gibt definitiv Potenzial für stärkere Unterstützungssysteme, insbesondere in Bezug auf Ressourcen und Vernetzung. Mehr Plattformen für junge Künstler*innen, auf denen sie ihre Arbeit präsentieren, Mentor*innen finden und finanzielle Unterstützung erhalten können, würden einen grossen Unterschied machen. Ich denke auch, dass die Förderung von Räumen, in denen aufstrebende und etablierte Künstler*innen interagieren können, dazu beitragen würde, eine dynamischere und nachhaltigere Kunstszene zu schaffen.