On Südpol

Der Saisontrailer 21/22 (1/2)

Mi, 01.09.2021
Von Südpol Kommunikation

RELATIONSHIPS

Um gesund zu bleiben, brauchen wir Beziehungen, vorzugsweise fürsorgliche und liebevolle Beziehungen, zu uns selbst, zu anderen und zu unserer Umwelt. So wird oft in der Theorie über Beziehungen gesprochen.

In der Praxis zeigen sich unsere Beziehungen aber eher wilder und auch unruhiger. Beziehungen, ob sie uns nun mit Menschen, Emotionen, Projekten oder Ideen verbinden, treiben uns an, erdrücken, beherrschen, inspirieren, zerstören oder verbinden uns mit dem Wesentlichen. Sie verändern sich oder verlassen uns manchmal auch. Der Gesundheitszustand der Welt und die tiefgreifenden Veränderungen, die wir zusammen, überall, gleichzeitig und alle miteinander verbunden erleben, stellen auch unsere Beziehungen in Frage und zeigen, wie wichtig diese sind. Im letzten Jahr wurden wir gezwungen, andere Wege zu finden, um Beziehungen zu leben. Unsere Ängste oder vergessene Impulse, mit denen wir auch verbunden sind, wurden genauso offenbart, wie die Wichtigkeit mit uns selbst verbunden zu sein.

Der Südpol, der sich freut, wieder mit seinen Künstler*innen und seinem Publikum zusammen zu sein und reflektiert mit dem Programm der nächsten sechs Monate über die Eigenschaften und Qualitäten unserer Beziehungen. Sei es zu uns selbst oder zu anderen, und dies zu einer Zeit, die einen Wendepunkt in unserer Geschichte markiert.

Mit Leila Peacocks großformatigen Arbeiten, die das ganze Jahr über in verschiedenen Räumen des Südpols zu sehen sind, werden wir die Saison in einer Atmosphäre des Endes einer Welt oder des Beginns einer neuen erleben.

«It was, and it was not so.»

Die in Zürich lebende Künstlerin und Essayistin entnimmt mittelalterlichen Handschriften sowie Science-Fiction-Büchern das Material für ihre mit Kreide angefertigten Interventionen und erschafft so grimassierende und surreale Figuren, die durch Textblasen dazu einladen, unsere Realität, wie wir sie kennen, zu hinterfragen und neue Szenarien zu imaginieren.

Wie unsere Umgebung während der Pandemie klang, fragt sich Laura Stoffel. In der Soundinstallation “In Resonanz.” lässt uns die Künstlerin und Forscherin in eine Sammlung von Soundscapes, die im Frühjahr 2020 aufgenommen wurden, eintauchen und eröffnet uns eine akustische und subjektive Perspektive auf den allerersten Lockdown.

Ebenso mit Klängen des alltäglichen Lebens beschäftigte sich der Zürcher Künstler Dimitri de Perrot. In seinem Immersionsraum «Niemandsland», welcher während des Eyes On Festivals im Südpol erlebbar sein wird, untersucht er in seiner neuen Kreation die Qualitäten eines Niemandslandes als Ort der Freiheit. Alles was da ist, ist Klang, Raum und das Publikum.

Man kann weitläufige, manchmal abstrakte Beziehung zur Welt und zum Raum führen und reflektieren.

Auf einer ganz anderen Ebene geht Marc Oosterhoff in Lab Rats auf humorvolle Weise an die Versuche heran, eine Beziehung zwischen zwei Menschen, in diesem Fall zwei Männern, aufzubauen. Versuche, deren fragwürdige Fluidität uns mit unserem eigenen Scheitern konfrontiert, jene Momente, in denen der Unterschied zwischen dem, was wir schaffen wollen, und dem, was der andere wahrnimmt, absurde und komische Situationen schafft.

Aus anderen Begegnungen mit einer zufälligen Komponente entstand D’Jakalo, ein Projekt unter der Leitung von Manon Fantini, dessen Titel seinen Ursprung in der Mandinka Sprache hat und «Improvisation» wie auch «Treffen» bedeutet. Jede Aufführung präsentiert eine Konstellation von Menschen, die sich in den letzten sechs Monaten kennengelernt haben. Die Performance bietet dem Publikum die Möglichkeit, die gemeinsamen Energien zu erleben und zu erspüren, die aus diesen Wissensaustausch und aus dem Zusammentreffen der gegenseitigen Neugierde entstanden sind.

Während einige Geschichten zwischen zwei oder mehreren Menschen leicht, zufällig und manchmal auch lustig sind, sind andere eher heikel. Dies ist im Familienkreis oft der Fall, denn Familie ist nicht nur zum Kuscheln da.

So Nina Langensand initiiert zusammen mit Fabienne Ehrler eine künstlerische Forschungsbewegung, die weder ein Erklärungsversuch noch eine Anklage noch ein Drama ist. Basierend auf persönlichen Erinnerungen, gesammeltem Filmmaterial, Erfahrungen und Gesprächen mit und über den obsessiven Alkoholkonsum einer nahestehenden Person entsteht in dem Stück «Alkohol» ein Abend über das Erinnern und Vergessen, über Kontrolle und deren Verlust, über Geheimnisse und Offenlegung. Eine behutsame Auseinandersetzung mit Scham, Verletzlichkeit, Abgrenzung, Co-Abhängigkeit und Ko-Präsenz, die es uns ermöglicht, an einer performativen Ermächtigung teilzunehmen.

Ganz anders zeigt sich die Familie Müller. Die Beziehungen dieser Normalfamilie aus der Zentralschweiz werden durchgerüttelt, wenn in deren Wohnzimmer plötzlich neue Familienmitglieder stehen. In drei Episoden zeiget die Produktion «Müllers» der beiden Luzerner Theaterschaffenden Sophie Stierle und Christoph Fellmann, wie sich weltpolitische Ereignisse im Alltag einer durchschnittlichen Familie auswirken.

Für Kinder ist die Fantasie oft ein Mittel, um komplizierten Situationen in der Familie oder in anderen Zusammenhängen aus dem Weg zu gehen. Gemäss einer Studie ist jedes fünfte Kind im Kanton Zürich verhaltensauffällig. Im Theater ist das Auffällige schön. In «Wild Things», inspiriert von Maurice Sendaks Geschichte, erkunden wir mit der ciecorsingaudenz die Grenzen der Welt. Wir tauchen ein in die Kraft und den lustvollen Umgang mit Langeweile und Wut, Freundschaft und Einsamkeit.

Schließlich werden wir uns auch mit bestimmten Aspekten unserer Beziehung zu dem, was jedem von uns am nächsten ist, dem Körper, befassen.

In der lebensbejahenden Performance «Krebskaraoke» der Bühne Aarau und in einem Kurzstück von Perle Cayron, welches im Rahmen der Tanzserie «von hier zu hier» präsentiert wird, wird die Veränderung des Körpers durch Krankheit thematisiert.

Die Entwicklung der Beziehung zum Körper und dessen Zustand als Maschine wird auch in “Cy-Co”, dem Cyborg-Zustand, von Elias Kurth in einer installativen Form behandelt. Werden wir vielleicht eines Tages nicht mehr sterben?

Den grossen Themen hat sich YES, das Junge Ensemble Südpol, das seit einigen Monaten im Südpol arbeitet, angenommen und wird die Ergebnisse seiner Recherchen zum Thema Tod in «kommen und gehen» auf die Bühne bringen. Doch die Performance ist kein Trauerspiel. Es ist eine Einladung, für einmal in das facettenreiche Thema Tod einzutauchen – von Anfang bis Ende.

Vielleicht ist der Tod auch eines der Themen, die den kreativen Prozess von Pavor der Kompanie Affenherz geprägt haben. Das Projekt, welches der Angst eine Form gibt und die Frage stellt, ob wir uns mit ihr arrangieren können oder versuchen, sie zu vermeiden. In «PAVOR» nimmt das Wesen der Angst plötzlich Gestalt an und kommt in Kontakt mit dem Menschen, zu dem es gehört. Gemeinsam begeben sie sich auf eine Reise an einen Ort, von dem keiner von ihnen weiß, dass er existiert. Was zunächst wie ein harmloses Kindermärchen aussieht, wird plötzlich zu einem düsteren Roadtrip durch die entstellte Welt dieser Menschen, die vor nichts mehr Angst haben. Ein musikalisches Märchen für Erwachsene, das kein Happy End hat.

Ebenfalls musikalisch wird es zugehen, wenn die Gruppe «Company Eternal» unter der Leitung von Soraya Lutangu im Südpol zu Gast ist. «Taking Care of God» wird uns die Ähnlichkeiten und Beziehungen zwischen Clubbing und religiösen Feiern zeigen und uns in eine neue Beziehung zu uns selbst bringen.

Was das Publikum erwartet sind Projekte, die vielfältig, komplex, leicht, obskur, kritisch oder lustig sind und unvorhersehbare Bahnen einnehmen. Sie verbinden uns miteinander, und wir freuen uns darauf, unsere Beziehungen im Laufe der Saison gemeinsam mit euch zu vertiefen und uns wieder zu treffen.

Mit Cinnay & Dawill, Company Eternal, Dimitri de Perrot, I-Fen Lin, B’bühne, Nina Langensand & Fabienne Ehrler, Nodin, Elias Kurth, Long Tall Jefferson, Müllers – die zweite Staffel, Nouvelle Vague, Aha Festival, LCone, Šuma Čovjek, Cie Corsin Gaudenz, Nicola Genovese, Pottcast, Kurztanzstücke Zentralschweiz, Cie Corsin Gaudenz, Leila Peacock, Kompanie Affenherz, Kinderkulturfestival Kultissimo, Theaterkollektiv Dionysos, Compagnie Trottvoir, Marc Oosterhoff + viele mehr

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