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15 JAHRE SÜDPOL: Karla Max Aschenbrenner im Gespräch
Anlässlich unseres 15. Geburtstags haben wir ehemalige Mitarbeitende und Weggefährt*innen zum Gespräch eingeladen und mit ihnen über ihre Zeit am Südpol gesprochen.
Während der Jubiläumssaison werden an dieser Stelle jeden Monat unterschiedliche Menschen von ihren ganz persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen erzählen.
Die Gespräche führte Carmen Bach, Co-Verantwortliche Kommunikation.
«Trust your guts!»
Von wann bis wann und in welcher Funktion hast du am Südpol gearbeitet?
Ende 2011 habe ich angefangen und 2013 habe ich aufgehört, ich hatte zwei Saisons. Ich war künstlerische und kaufmännische Geschäftsleitung. Diese Personalunion ist heikel, aber wir haben im Team mit absoluter Transparenz gearbeitet, wir wussten alle alle Zahlen. Alle konnten in ihren Einzelbudgets eigenständige Entscheidungen treffen. Alle hatten jederzeit in alles Einblick.
Das ist ja ein monströser Doppelposten mit unfassbar vielen Aufgaben. Wie hättest du damals dein Jobprofil beschrieben?
Ich hab damals viel für die Gastro gemacht. Ich musste Fleischeinkaufspreise berechnen und vergleichen, Kontakt mit Lieferanten, das war ein grosser Teil. Dann habe ich ein bisschen programmiert, allerdings nicht viel. Und ich habe wahnsinnig viel praktische Kommunikation und Geschäftsleitung gemacht. Ich habe mal eine Aufstellung gemacht, als es darum ging, die beiden Stellenprofile zu separieren. Da habe ich dann festgestellt, dass ich eigentlich 210 Prozent arbeite. Am Anfang habe ich alle Abenddienste im Tanz/Theater gemacht. Das Einzige, was ich nicht gemacht habe, war die Bewirtschaftung der Gästewohnung. Aber sonst alles von der Personalführung über die Entscheidungsgewalt über die Sitzungsleitung und alles, was mit dem Bereich Tanz/Theater zu tun hatte in der Kuration, im Betreuen. Und dann war es vor allem eine Suche, was man inhaltlich mit dem Haus machen kann. Wir haben gemerkt, dass es nichts bringt, wenn wir das gleiche Programm wie in Zürich und Basel bringen, weil die meisten Leute das dann schon gesehen hatten. Wir brauchten einen spezifischeren Zugang und haben dann ganz stark mit Formen experimentiert. Es gab viele Kooperationen mit anderen kulturellen Institutionen aus der Stadt, auch über Disziplingrenzen hinweg.
Was hat dich an den Südpol verschlagen?
Ich war vorher als künstlerische Mitarbeit bei «Theater der Welt» in Essen und habe da international Festival gemacht. Und da habe ich gemerkt, dass ich gerne Endverantwortung tragen möchte für ein Haus. Und ich wollte gerne mal wieder zurück in die Schweiz. Ich hatte in Basel und Zürich studiert, in Zürich am Opernhaus assistiert.
Kanntest du den Südpol?
Ich kannte Beatrice Fleischlin und Christoph Linder, die da gearbeitet und viel erzählt hatten. Aber ich war nie vor Ort, erst zum Vorstellungsgespräch.
Wie war das erste Gefühl im Haus? Was war dein Lieblingsort? Was verbindest du mit diesem Ort?
Die Wohnung! In der hatte ich wunderschöne Momente. Und das Treppenhaus vom Club zum Büro. Ich mochte sehr die unterschiedlichen Energien, die man in den unterschiedlichen Räumen hatte. Ich habe im Büro gearbeitet, während in der Shedhalle ein Catering aufgebaut wurde, und im Club waren Partyvorbereitungen, wo schon Musik lief. Diese Mischung mochte ich sehr gerne. Ich mochte den Platz vor der Kaffeemaschine. Generell die Shedhalle, die von unterschiedlichen Menschen zu unterschiedlichen Uhrzeiten unterschiedlich genutzt wurde. Da haben sich über den Tag verteilt so viele unterschiedliche Communities getroffen wie sonst nur am Luzerner Bahnhof. Aber wir waren eben nicht der Bahnhof, sondern in the fucking middle of nowhere.
Aber diese Insel im Nirgendwo hat ja auch was Schönes…
Ich mochte das eben auch. Unser programmatisches Ziel war dann auch: Wenn es eh niemanden interessiert, was wir hier machen, dann machen wir halt, worauf wir Bock haben. Und dann wurde es richtig cool. Also haben wir gesagt, wenn wir die grosse Halle mit Rollrasen auslegen wollen, dann legen wir die grosse Halle mit Rollrasen aus. Wir wollten verschiedene Publikumsgruppen ansprechen. Mich haben vor allem immer Kooperationen und Konzepte interessiert, die das Haus ein bisschen weitergebracht haben, es innerhalb von Debatten positioniert haben. Diese ganzen Fragen, wie rentiert sich was, Gewinnorientierung, haben meiner Meinung nach nichts in solchen Betrieben zu suchen. Es sind subventionierte Betriebe. Man hat die Verpflichtung, ordentliche Buchhaltung zu machen, mit dem Geld ordentlich umzugehen. Aber eher aus einem moralischen Verständnis heraus, warum man sich Kunst leistet, als aus einem ökonomischen. Wir verwalten schliesslich auch die Steuergelder einer Coop-Verkäuferin.
Was hast du am Südpol gelernt, was dir heute noch weiterhilft?
Trust your guts! Ganz stark. Es gibt keine objektiven Kriterien für Qualität in der Kunst. Gute Mitarbeiter*innen sind alles. Und Vertrauen. Wir haben damals zwei Theaterprojekte koproduziert, die zum Theatertreffen eingeladen wurden. Plötzlich kamen Leute aus Hamburg angereist, um sich Milo Rau anzugucken. Das konnte ich ja nicht wissen oder planen. Aber ich habe gelernt, meiner Intuition zu vertrauen. Risiko rentiert sich. Man könnte es auch Naivität nennen.
Ich würde es eher mutig nennen…
Auch die Arbeit im Team war einzigartig. Marc Schwegler, Fabian Fuchs und Eva Heller, die waren ein super Programmteam. Und keiner von denen macht heute mehr Kunst. Vielleicht war das auch zu innovativ, wie wir da strukturell gearbeitet haben. Wir haben gemeinsam völlig absurde Dinge auf die Beine gestellt.
Für einen guten Kulturbetrieb braucht es einfach nur viele verrückte Menschen, die zu allem bereit sind?
Ich glaube das und schon auch gute Analysen. Wir hatten eine sehr intensive, sehr respektvolle Arbeitskultur, die ich danach selten wieder so erlebt habe. Alles war transparent. Wir sassen regelmässig alle gemeinsam an einem Tisch und haben bis ins Detail diskutiert. Inklusive Budget. Das war die Magie. Ich glaube, das ist die Kraft von solchen Orten. Das war ja nicht die totale Mitbestimmung, es gab ja durchaus funktionale Differenzierungen. Aber ich wusste von Fabian von jedem Konzert, warum er das programmiert hat. Von jeder Party und von jeder Vermietung, warum sie stattfand. Und ich wusste die Fleischpreise. Da haben wir schon viel auf den Weg gebracht. Der Südpol hatte ja keinen einfachen Start. Philippe hat da viel wichtige Vorarbeit geleistet. Und dann konnten wir im zweiten Schritt eine Form und Arbeitsweise definieren. Und dafür war es super, dass ich von aussen kam und keine Vorgeschichte hatte. Ich hatte dann diesen Ruf nach Wien, ich wäre gerne noch länger geblieben. Aber ich hatte einer Kollegin ein Versprechen gegeben, das ich nicht brechen konnte. Das «wie» war dann etabliert und dann brauchte es eine neue lokale Leitung, die vor Ort verankert war. Ich hab schon eher Krawall gemacht und war oft sehr schweizerisch untypisch direkt.
Du hast dem Südpol in seinen ersten Jahren quasi das Laufen beigebracht. Jetzt ist er 15. Wenn der Südpol ein Mensch wäre, was würdest du ihm mit auf den Weg geben?
Ich war damals ja selbst noch ein Baby. Heute würde ich sagen: Bleib so stark in deiner Wandelbarkeit, so wie du es immer warst. Glaube an dich. Trau dich öfter mal raus in die Stadt. Erschliess dir neue und andere Räume. Wenn man lange wo nicht lüftet, fängt es an zu stinken. Du kannst schon in deinem Zimmer rumhängen und deine ungewaschene Wäsche überall rumliegen lassen. Aber mach doch ab und zu mal das Fenster auf.
Foto: Karla Max in Griechenland, Gespräch via Zoom, Juni 2023